Die Geschichte der Holzlöffel aus dem Siegerland
Wer schon einmal in Hilchenbach war, weiß, dass es mit einem Wanderwegenetz von rund 300 Kilometern jede Menge zu erleben gibt. 9 Themenwanderwege laden Wanderer dazu ein, sich neben der Natur auch mit der Geschichte der Stadt bekannt zu machen. Der 2017 entstandene Löffelpfad durch und rund um den Ortsteil Helberhausen erzählt die Geschichte der Holzlöffel aus dem Siegerland.
Helberhausen, schon früh im 13. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Kirchspiel Hilchenbach erwähnt, wurde 1969 im Rahmen der kommunalen Neugliederung der Stadt Hilchenbach angeschlossen. Seinen Namen trägt das Dorf seit 1754. Berühmt wurde Helberhausen durch das Löffelschnitzen, dessen Einführung Heinrich Jung Stilling auf 1690 datiert.
Löffel wurden über eine Million Mal hergestellt, nach Holland und sogar bis nach Westindien exportiert. Heute würde man sagen, dass dieses Haushaltsgerät zu einem Exportschlager wurde.
Hier nun die Geschichte dazu
Eines der wichtigsten Utensilien der Menschen in früherer Zeit war der Löffel. Aus Holz hergestellt, behielt man ihn zumeist ein Leben lang... daher kommt auch der Ausspruch "den Löffel abgeben".
Vorwiegend ernährten sich die Menschen von Brei, Suppen und Eintöpfen. Dabei stand die Schüssel auf dem Tisch und man entnahm abwechselnd von dort mit seinem Löffel die Mahlzeit.
Die Form einer schöpfenden Hand nachempfunden, wurden sie Löffel vorwiegend aus Ahornholz hergestellt. Erst als dieses im 19. Jahrhundert im Siegerland und Umgebung zur Neige ging, verwendete man Birkenholz. Dieses wurde jedoch schnell grau und unansehnlich.
Wie alles begann
Es wird um das Jahr 1690 gewesen sein, als drei Helberhäuser Viehhirten zwecks Lohnaufbesserung das Handwerk des Löffelschnitzers erlernten und miteinander wetteiferten. Dies waren Johann Heinrich Claus, Jost Heinrich Preis und Johann Heinrich Helmes. Sie optimierten ihr Handwerk und stellten glattere Löffel her als z.B. die Sauerländer Schnitzer dies taten. Das machte ihr Tun sehr erfolgreich. Die Nachfrage stieg rasant an und immer mehr Einwohner gingen nun diesem Handwerk nach. Im Jahr 1819 betrieben 80 hauptberufliche Löffelschnitzer dieses Handwerk. Durch den so erreichten Wohlstand stieg im Laufe von 4 Jahren die Einwohnerzahl des kleinen Dorfes um 114 Personen auf 370 Einwohner. Die hauptberuflichen Löffelschnitzer wurden in den Wintermonaten von den Bauern unterstützt, um der großen Nachfrage gerecht werden zu können.
Zu Glanzzeiten wurden so über eine Million Löffel pro Jahr geschnitzt, der damalige Wert belief sich auf 8000 Gulden. Die Vermarktung erfolgte weltweit. Ganze Pferdelasten gelangten per Schiff von Köln nach Holland und von dort aus in die weite Welt. Der Niedergang dieses Handwerks in Helberhausen wurde durch die schwierige Holzbeschaffung und damit einhergehend sinkende Verkaufszahlen eingeläutet.
Der preußische König Friedrich Wilhelm III. gewährte zunächst Sonderkonditionen für den Holzeinkauf, als dieses hochpreisig war. Dieses Privileg wurde ab 1840 aber wieder abgebaut. Die Löffelschnitzer konnten sich so den für ihr Handwerk notwenigen Rohstoff nicht mehr leisten, sodass es 1854 nur noch 14 Löffelschnitzer gab.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzten sich Löffel aus Metall immer mehr durch, sodass der letzte Löffelschnitzer, Johannes Schneider (1873-1950) das Handwerk um 1920 aufgab. So starb das Gewerbe im Dorf aus.
Johann Heinrich Jung Stilling aus Grund war in seiner Kindheit öfters in Helberhausen unterwegs und konnte das Handwerk beobachten. 1781 beschrieb er in einer wissenschaftlichen Zeitschrift die "Nassau-Siegensche hölzerne Löffel-Manufaktur" zu Helberhausen wie folgt:
Der Löffelhersteller sägte von einem trockenen, astfreien Ahornstamm so viele Stücke in der Länge des herzustellenden Löffels ab, wie er am nächsten Tag verarbeiten konnte. Tags darauf wurden diese Klötze gespalten. Es wurden etwa 60 gleich große Holzstücke von Hand abgeschlagen. Dies stellte die Tagesproduktion der Löffel pro Person dar. Die einzelnen Holzstücke wurden nun grob behauen. Die Löffel hatten eine Platte und einen Stiel. Die Platte wurde rund und hohl, der Stiel aber hatte vor der Platte ein Knie. Das Löffelholz war etwa einen halbe Schuh lang, drei Zoll breit und eineinhalb Zoll dick. Nun erfolgte ein schiefer Hieb mit der Heppe auf die eine Seite, anschließend auf die andere Seite. Dadurch erschien schon Stiel und Platte im Groben. Eine weitere Bearbeitung mit der Heppe und mehrere Schläge von verschiedenen Seite ergaben immer mehr Form. Zum Schluss brach man die Ecken. So wurden alle Klötze innerhalb zwei Stunden behauen.
Alle Löffel wurden nacheinander auf dem Knie mit einem lanzenförmigen Messer bearbeitet, dass dauerte drei Stunden. Mit einem scharfen Hohlmesser wurden die Löffel ausgehöhlt, das verlangte viel Geschicklichkeit und dauerte etwa vier Stunden. Dabei war die Verletzungsgefahr recht hoch. Alle Schnitte gingen gegen den Ballen des linken Daumens. Ein Span, gepackt zwischen Löffel und Ballen, sollte den Verletzungen vorbeugen. Zu guter Letzt wurden die Löffel mit einem Messer poliert, bei geringer Wärme getrocknet und dann zum Verkauf freigegeben.
Natürlich konnte man auch Löffel mit Verzierungen erwerben. Diese kosteten dann auch mehr.
Zu Ehren dieses Traditionshandwerkes wurde im Jahr 2018 anlässlich des 700-jährigen Bestehens des Ortsteiles Helberhausen ein Themenwanderweg angelegt. Auf einer Länge von 11 km geht es ab der Dorfmitte Helberhausen durch das Dorf und darum herum. Zahlreiche Bänke laden zur Rast ein. Viele Aussichtspunkte machen die Wanderung zu einer Entdeckungstour. Das kleine Landwirtschaftsmuseum im benachbarten Ortsteil Hadem mit vielen historischen Gerätschaften und Maschinen lädt zu einem Besuch ein. Und auch ein kleiner Abzweig in das Stadtzentrum von Hilchenbach nach ungefähr der Hälfte der Wegstrecke ermöglicht eine Stärkung in den unterschiedlichen gastronomischen Betrieben. So ist der „Löffelpfad“ ein gelungener Rundwanderweg für jedes Alter.
Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie unter der Adresse www.löffelstadt.de
Quelle: Stadt Hilchenbach