Die neue Leichtigkeit des Bauens

Ein versteckter Ort mitten im Naturpark Sternberger Seenlandschaft. Vogelzwitschern und manchmal ein kurzer Aufschrei eines Saunabesuchers beim Sprung ins kühle Wasser. Das Seehotel am Neuklostersee ist ein Monument der Stille und der Moderne. Seine jüngere Vergangenheit als LPG-Hof verbirgt es gekonnt. Allerspätestens seit Badescheune und Wohlfühlhaus hinzugekommen sind. Verkleidet mit Lärchenholz, entworfen vom Berliner Architektenpaar Gernot und Johanne Nalbach. Sinnlicher lässt sich die im Urlaub angesagte Konzentration auf das Wesentliche, Wahre und Schöne kaum ausdrücken.

Das Neue schmückt das Alte
Moderne Ferienhäuser neben schilfgedeckten Katen, Design-Hotels in denkmalgeschützten Gutshäusern – das Land der Schlösser und Backsteinkathedralen hütet sein Erbe und erfindet sich gleichzeitig neu. Olaf Bartels nennt es das „neue Selbstbewusstsein in der Architektur“ des Landes. Wer sich mit seinem handlichen „Architekturführer Mecklenburg-Vorpommern“ auf Reisen begibt, dem offenbart sich sowohl die traditionelle als auch die moderne Siedlungs- und Baustruktur.

In der Künstlerkolonie Ahrenshoop ergänzt Modernes die Reetdachromantik. Nicht nur das neue Kurhaus zeigt Mut zu kühler Größe. Noch aufregender ist der Plan des Berliner Büros staab Architekten für das Kunstmuseum Ahrenshoop. Seine fünf Betonkörper greifen Form und Größe der ortstypischen Fischer- und Kapitänshäuser auf. Raffiniert verschmelzen sie zu einer Gebäudeskulptur, die sich ganz in gefältelte Baubronze hüllt. Mit Respekt verneigt sich das kantige Ensemble vor dem Hergebrachten und wendet sich doch bestechend klar und ausgeklügelt funktional der Zukunft zu. Dieser Raum für die Kunst beherrscht die Kunst des Raums – wahrlich würdig für das große Erbe der Künstlerkolonie und für Schöpfungen aus unseren Tagen. Ein kleines Wunder: Im 700-Seelen-Dorf Ahrenshoop entsteht für 7,7 Millionen Euro ein Kunstmuseum der Extraklasse. Es öffnet im Spätsommer am 2. September 2013.

Wie sich Baugeschichte zeitgemäß fortschreiben lässt, zeigt auch das brave Hafenstädtchen Ribnitz-Damgarten am südlichen Ufer des Saaler Boddens, der die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst vom Festland trennt. Auf den historischen Marktplatz, der in seiner „außerordentlichen Größe und Weite mit der mächtigen Kirche“ selbst Einstein im Gedächtnis blieb, stellt die Stadt einen puristischen Kubus mit bernsteinroten Glaswänden als Stadtinformation und Restaurant.

Urlaub auf dem Wasser
Zeitgenössische Urlaubsarchitektur spiegelt sich ebenfalls auf den Wellen des Rügischen Boddens. An zwei Stegen reihen sich die Pfahlbauten der „Wasserferienwelt Rügen“ auf. 1996 kam Till Jaich hierher und baute im Yachthafen von Lauterbach die ersten schwimmenden Häuser Deutschlands. Inzwischen schweben hier 22 Ferienhäuser sowie 14 Pfahlhaussuiten mit Terrasse und Badesteg über dem Wasser. Schwäne gleiten vorüber, ein Fischreiher lauert auf Beute, und in aller Stille versinkt glutrot der Tag im Bodden. „Willkommen in unserer Wasserferienwelt, hier haben wir maledivische Eindrücke mecklenburgisch-vorpommersch interpretiert und uns auf den künftig steigenden Meeresspiegel eingestellt“, scherzt Jaich. Ernst ist es ihm mit dem Umweltschutz. Energie kommt aus dem Blockheizkraftwerk und der Solaranlage. Er weist auf die begrünten Dächer über dem silbrig schimmernden Lärchenholz und spricht von Verlandschaftlichung der Architektur.

Architektur macht Gäste
Beachtlich viel Neues hat sich auch die Hanse- und Welterbe-Stadt Stralsund auf ihre traditionsreichen Fahnen geschrieben. Zu den Schrittmachern zählt Architekt Robert Mittelbach, der nach einem franziskanischen Leitsatz „Neues wächst dann, wenn es auf Altem aufbaut, ohne bei ihm stehen zu bleiben“ drei moderne Stadthäuser direkt am Chor der mittelalterlichen Jacobikirche errichtete. Der Versuch, in zeitgemäßer Formensprache zu bauen, kann aber auch wie ein architektonischer Donnerschlag in die historische Bebauung niederfahren. Wie beim Ozeaneum. Behnisch Architekten stellten das kompromisslos moderne Riesenaquarium zwischen backsteinrote Hafenspeicher. Der Coup gelang. Das Ozeaneum ist eines der meist besuchten und beachteten Museen Deutschlands.

Ein Aufbruch in die Moderne
Wenn jemand ein Medien- und Informationszentrum für die internationale Foto-Community baut, dann muss das schon ein besonderer Hingucker werden. Mit dem Max-Hünten-Haus ist ein solcher Blickfang geglückt. Ein alter Mann aus Zingst nimmt die Architektin Barbara Haß zur Seite und drückt leicht ihren Arm. „Mädel, das ist ja gar nicht so schlecht, was ihr da gebaut habt.“ Lärchenholzlamellen verkleiden den Neubau mitten im Ostseebad. Der Gebäudekomplex mit seinen Rundungen und Kurven, der sich – wie einst die alten Fischerhäuser – durch Holzverschalungen vor Wind und Wetter schützt, ist ein erbauliches Beweisstück dafür, dass Architektur nicht folkloristisch sein muss und doch in Bauform gegossene Heimat sein kann. Bunt und klar zugleich wirkt sie hier – die neue Leichtigkeit des Bauens in Deutschlands Nordosten.

Anziehungspunkt für Architekturpilger
Ulrich Müthers (1934-2007) revolutionäre Bauten aus Stahl und Beton, Schalentragwerke, die zu DDR-Zeiten „Sonderbauten“ hießen, sind heute Kult. Die Schalenkonstruktionen des im Ostseebad Binz gebürtigen Bauingenieurs gehören zu den spannendsten Phänomenen ostdeutscher Baugeschichte.

1968 baute Ulrich Müther beispielsweise eine Dachkonstruktion aus drei aneinanderstoßenden Betonschalen für den “Teepott” direkt am Warnemünder Leuchtturm, in dem mittlerweile mehrere Cafés und Restaurants ihre Köstlichkeiten anbieten. Sein kleinstes Bauwerk steht am südlichen Ende des Binzer Strandes, ein Rettungsturm aus hauchdünnen Halbschalen. 2004 von Ulrich Müther saniert, können Paare sich heute dort das Ja-Wort geben.

Weitere architektonisch besondere Ferienhäuser und Hotels in Mecklenburg-Vorpommern unter: www.urlaubsarchitektur.de

Quelle: Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.