Ausflug in alte Zeiten - Historische Schnade gespickt mit Dönekes
Als unterhaltsame Wandertour gestaltet sich der historische Schnadegang beim Hochsauerland Wanderfestival vom 19. bis 21. September 2014. Anlässlich des 700-jährigen Bestehens des Winterberger Dorfes Siedlinghausen beleben die Veranstalter am 20. September diesen uralten Sauerländer Brauch der Grenzbegehung – und sparen dabei nicht mit Anekdoten.
Stoff für „Dönekes“ gibt es schließlich reichlich. Schon seit der Frühen Neuzeit führten die Menschen in Siedlinghausen Schnadegänge durch und sicherten so ihren Feld-, Wald- und Wiesenbestand, die Jagd-, Fischerei- und Weiderechte. So genannte Schnadesteine markierten damals die Grenzen zwischen Grundstücken oder Ortschaften. Und diese Steine wechselten gern bei Nacht und Nebel ihren Standort.
Zwistigkeiten waren damals nicht selten. Bei Nacht und Nebel versetzte so mancher klammheimlich einen Grenzstein zu seinen Gunsten oder ließ ihn gleich ganz verschwinden. Schnadegänge dienten dazu, derartige Manipulationen aufzudecken und zu kontrollieren, ob alles noch seine Ordnung hatte. Unregelmäßigkeiten korrigierten die Bewohner manchmal in gegenseitigem Einverständnis – nicht selten aber auch nach „Sauerländer Landrecht“ sehr unsanft mit Hacke, Schüppe, Dreschflegel und Axt.
Manche Grenzverläufe waren derartig unübersichtlich, dass nur Eingeweihte den Durchblick hatten. Vor allem die Alten kannten jeden einzelnen Schnadestein ganz genau – setzten ihre Mitbürger sie doch so manches Mal resolut darauf und ließen sie im typisch Sauerländer Platt ausrufen: „Boy hey hiät mit me Äse sätten, draff diän Stein nit mehr vergiätten.“ In Hochdeutsch: Wer hier hat mit dem Hintern gesessen, darf den Stein nicht mehr vergessen. Zuletzt führten die Siedlinghäuser diesen Brauch des „Ässtutzens“ beim Schnadezug 1974 kurz vor der Eingemeindung zu Winterberg durch – da allerdings aus reinem Vergnügen.
Manche Querelen um Grenzverläufe zogen sich bis in die Neuzeit. So lagen sich die Nachbardörfer Siedlinghausen und Silbach über Jahrzehnte in den Haaren. Unter anderem stritten die Dörfler um das „Gastschulgeld“, das die Gemeinde Siedlinghausen für das Unterrichten ihrer Kinder an die Silbacher Volksschule entrichten musste. Auch um die Gewerbesteuer feilschten die Honoratioren – vor allem um die Schiefer AG Nuttlar als Betreiber der Silbacher Grube. Das Firmengebäude lag allerdings in Siedlinghausen, die Grube selbst in Silbach. Erst 1959, nach langen Verhandlungen, waren beide Dörfer mit der Regelung zufrieden - heute pflegen sie gute nachbarliche Beziehungen.
Die erste Schnade – das Wort ist übrigens verwandt mit „schneiden“ oder „trennen“ - ist in den Annalen von Siedlinghausen auf 1753 datiert, als der adelige Großgrundbesitzer Johann Heinrich von Vincke seinen Besitz und seine Rechte amtlich festgestellt haben wollte.
Die ins Hochsauerland Wanderfestival eingebundene Schnade erinnert an alte Zeiten, als die Grenzbegehung noch eine ernsthafte und oft strittige Angelegenheit war. Die Begegnungen mit den Abordnungen anderer Dörfer haben jetzt freilich einen fröhlichen, geselligen und humorvollen Charakter.
Quelle: Redaktionsbüro Susanne Schulten