Interview - Das echte Thalasso gibt es nur am Meer
Gespräch mit der Leiterin des Arkona Spa im Hotel Neptun in Warnemünde, die zugleich Vorsitzende des Verbandes Deutscher Thalasso-Zentren e. V. ist
TMV: Was genau ist Thalasso?
Ulrike Wehner: Thalasso heißt abgeleitet aus dem griechischem „thalassa“ übersetzt „Meer“. Als Thalasso bezeichnet man heute die Behandlungen mit kaltem oder erwärmtem Meerwasser, Meeresluft, Sonne, Algen, Schlick und Sand. Jeder Aufenthalt am Meer wirkt sich positiv auf Körper und Psyche aus. Die allergenfreie Luft in der Brandungszone mit den kleinen Wassertröpfchen befreit die Atemwege, Meerwasserbäder verjüngen, entschlacken, heilen und pflegen die Haut, Bewegung im Meeresklima optimiert die Fettverbrennung. Thalasso ist nur am Meer möglich und mit Baden, Brandungsgymnastik, Strandwandern, Walking in der aerosolen Brandungszone oder Luft- und Sonnenbädern sehr vielfältig. Diese natürlichen Eigenschaften des Meeres kannten und nutzten bereits die alten Griechen und im 19. Jahrhundert erfuhren Meeresbehandlungen in Europa eine Renaissance. Nach der Doktorarbeit des englischen Arztes Richard Russell zur therapeutischen Wirkung von Meerwasser gegen Infektionskrankheiten von 1750 wurde im Jahr 1867 in Frankreich der Begriff „Thalasso-Therapie“ von dem französischen Arzt Labounadière geprägt. Der französische Biologe Quinton wies 1897 die Ähnlichkeiten der mineralischen Zusammensetzung des Meerwassers und des menschlichen Blutplasmas nach. Heute gibt es an den französischen Küsten fast 70 Thalasso-Zentren. Das älteste Seebad Deutschlands Heiligendamm wurde 1793 durch den mecklenburgischen Herzog Friedrich Franz I gegründet, denn sein Rostocker Leibarzt Prof. Vogel empfahl ihm die heilsame Wirkung des Badens im Seewasser. Thalasso hat also auch in unserem Land eine lange regionale Tradition, die es gilt wiederzubeleben.
TMV: Was zeichnet die Thalasso-Therapie im ersten deutschen Thalasso-Zentrum, dem Hotel Neptun, aus?
Ulrike Wehner: Neben der Lage am Meer und dem direktem Einfluss des Meeresklimas werden die internationalen Qualitätskriterien für „Thalasso-Zentren“ strikt eingehalten. Für die Behandlungen muss frisch geschöpftes unbehandeltes Meerwasser verwendet werden, damit alle Inhaltsstoffe erhalten bleiben, und somit verfügen wir wie jedes Zentrum über eine eigene Meerwasserleitung. In einem Thalasso-Zentrum gibt es mindestens ein Meerwasserschwimmbecken und eine ausreichende Anzahl von Kabinen für Meerwasserbäder, Meerwasserduschen, Algen- und Schlickpackungen, Inhalationen, Massagen und Therapien. In einem Thalasso-Zentrum sind ein oder mehrere Ärzte und ein professionelles Team aus Spezialisten wie Physio-, Klima- und Hydrotherapeuten, Masseuren, Ernährungsberatern und Fitnesstrainern beschäftigt. In jedem Thalasso-Zentrum werden umfangreiche Maßnahmen aus den Bereichen Bewegung, Entspannung und Ernährung angeboten. Ein ganzheitlicher Ansatz ist dabei besonders wichtig. In unserem Haus bieten wir neben einer Vielzahl von unterschiedlichen Einzelanwendungen und Gruppenaktivitäten eine spezielle Thalasso-Vital-Kost an. Der Gast kann zwischen täglich wechselnden Thalasso-Menüs mit viel frischem Fisch und Algen oder einer Thalasso-Reduktionskost wählen. Egal ob Thalasso als Therapie, in der die Verbesserung gesundheitlicher Probleme im Mittelpunkt steht, als Präventionsprogramm oder als Gesundheitsurlaub – eine Thalasso-Therapie wirkt auf den Körper belebend, reinigend und erholsam. In unserem Thalasso-Zentrum ist das ganze Jahr Saison.
TMV: Welche Aufgaben hat der Thalasso-Verband und inwieweit beeinflusst er die Wellnesslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern?
Ulrike Wehner: Der Verband, der 2001 gegründet wurde, will eine Lanze brechen für die Thalasso-Therapie, die im Vergleich zu Frankreich in Deutschland noch in der Entwicklungsphase ist. Wir möchten die Verbraucher über die Entwicklung und die Methoden der modernen Thalasso-Therapie und unsere Partner über internationale Trends informieren. Wir setzen uns für ein gemeinsames Marketing ein und wünschen uns eine weitere Förderung des Bekanntheitsgrades der Thalasso-Therapie in Deutschland. Noch stehen wir am Anfang, aber wir wollen gemeinsam mit Kureinrichtungen, Kurzentren, touristischen Institutionen, Verbänden und Medizinern unsere Schlagkraft erhöhen. Die Fortbildung zum Thalasso-Therapeuten, die wir als Verband in Zusammenarbeit mit dem Hotel Neptun und der Wellness-Akademie EWS Rostock entwickelt haben und seit diesem Jahr anbieten, ist ein Schritt zur Qualifizierung von Fachpersonal zur Durchführung der Thalasso-Therapie.
TMV: Sehr beliebt scheinen bei Wellness-Gästen fernöstliche Behandlungen wie Ayurveda-Kuren zu sein. Wie behaupten sich regionale Therapien gegenüber exotischen Anwendungen?
Ulrike Wehner: Ein ganzheitliches Konzept anzubieten ist immer von Vorteil, das kann dann in Mecklenburg-Vorpommern auch gern ayurvedisch oder fernöstlich sein. Wichtig ist bei allen Angeboten und Konzepten, der Gast muss einen roten Faden erkennen. Nicht von jedem ein bisschen und ständig wechselnde Behandlungen, sondern Authentizität der Produkte, Fachkompetenz der Mitarbeiter und ein hoher Qualitätsanspruch sind der Schlüssel zum Erfolg. Mit den regionalen Anwendungen ist es wie mit einem Restaurantbesuch: Gäste wählen gern regionale Spezialitäten aus und schätzen dann besonders die Zusammenstellung und Zubereitungsform der Speisen und Getränke und den Frischegrad. Wenn wir bei den regionalen Therapien ähnlich vorgehen und diese den Gästen dann auch noch nachhaltig gut tun, werden wir damit Erfolg haben. Die Besucher des Hotel Neptun wissen bereits um die hohe Qualität der Thalasso-Therapie und kommen auch deshalb zu uns, denn wir haben uns seit über 15 Jahren auf dieses Angebot spezialisiert. Ein anderes gutes Beispiel für ein regionales Produkt unseres Landes ist die Rügener Heilkreide.
TMV: Wie sehen Sie das Wellness- und Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern positioniert in Deutschland bzw. Europa?
Ulrike Wehner: Mecklenburg-Vorpommern hat durch die klimatischen Bedingungen und durch die vielfältigen Angebote enorme Möglichkeiten, sich als Wellness- und Gesundheitsland und auch als „Thalassoland“ zu etablieren. Es ist Bewegung in unserem Land, und es hat sich beispielsweise mit der Wellness-Insel Usedom, mit regionalen Produkten wie der Rügener Heilkreide oder auch mit Anbietern wie dem Hotel Neptun bereits einen Namen gemacht. Es gibt noch viel Potenzial. Die Insel Norderney will bis 2020 die europäische Thalasso-Insel werden. Wir sollten alle dieses Ziel unterstützen und mitarbeiten, Thalasso noch bekannter zu machen, denn unser Land und die Küstenregionen werden davon profitieren.
Quelle: Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.