Konstanz ist wieder Konzilstadt
600 Jahre Konstanzer Konzil: Unter dem Motto „Europa zu Gast“ erinnert Konstanz von 2014 bis 2018 an die Zeit, in der die Bodenseestadt zum Zentrum der abendländischen Welt wurde. Eine große Landesausstellung, Konzilfestspiele, Themenrouten und Führungen lassen Mittelalter und Konzilszeit in Konstanz und am Bodensee frisch aufleben.
Drei Päpste und kein Halleluja
Im Jahr 1414 rückte die Tuchhändlerstadt Konstanz am Bodensee für vier Jahre in den Blickpunkt der christlichen Welt. Nicht weniger als ein neuer Papst sollte hier, fernab der kirchlichen Zentren, gefunden werden. Die Kirche nämlich war gespalten, drei Päpste beanspruchten den Heiligen Stuhl für sich. Innerhalb der nächsten Jahre fand bis 1418 mit dem Konzil von Konstanz der größte Kongress des Mittelalters statt. Päpste und gekrönte Häupter, gelehrte Professoren und Berühmtheiten ihrer Zeit - außerdem ein Heer von sogenannten „Hübschlerinnen“ richteten sich in Konstanz ein. Eine Zeit regen Austauschs zwischen den Mächtigen der Welt und weitreichender Entscheidungen war das. Ein Papst trat zurück, zwei setzte man ab, ein neuer wurde gewählt. Die ganz große Politik fand nun am Bodensee statt.
Originalschauplätze und steinerne Zeitzeugen
Wenn sich Konstanz auf die Ereignisse des Konzils besinnt, dann inmitten einer Kulisse von Originalschauplätzen. Die Stadt, deren Kern an See, Seer-hein und direkt an der Grenze zum Nachbarland Schweiz liegt, hat sich ihre historische Substanz in weiten Teilen erhalten. Das mächtige Konzilgebäude, ab 1388 als Markthalle, Warenumschlag und Lagerhaus für die erblühende Handelsstadt errichtet, prägt heute noch die Silhouette der Stadt. Es war Schauplatz der einzigen rechtmäßigen Papstwahl, die jemals nördlich der Alpen stattgefunden hat! Seit dem 27. April 2014 ist die Große Landesausstellung „Das Konstanzer Konzil 1414-1418 – Weltereignis des Mittelalters“ hier zu sehen. Aber auch das Konstanzer Münster ist ein echter Zeitzeuge. Die wichtigsten Versammlungen und Sitzungen wurden in der Bischofskirche abgehalten. Von hier ist es nicht weit zum ehemaligen Dominikanerkloster, das ebenfalls als Beratungsort diente. Seit weit über 100 Jahren ist es ein luxuriöses Hotel. Das romanische Kirchenschiff dient als Festsaal des heutigen Inselhotels. Der ehemalige Kirchenchor beherbergt heute die „Zeppelinbar“ mit dem Grabstein des griechischen Gesandten Manuel Chrysoloras, der während des Konzils in Konstanz verstarb. Eine weitere Klosterkirche, die des ehemaligen Augustinerklosters, zeigt Malereien an Wänden und Decke aus der Konzilszeit. Sie wurden von niemand Geringerem als König Sigismund, dem Initiator der Konstanzer Großveranstaltung, in Auftrag gegeben. Auch er selbst ist zu sehen.
Comicstrip des Mittelalters
Auf den Spuren des Konzils gehört der Besuch des Rosgartenmuseums zum Pflichtprogramm. Zwei prachtvolle ehemalige Zunfthäuser beherbergen das historische Museum der Stadt. Es zeigt eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Konzilszeit: die vom Konstanzer Bürger Ulrich Richental verfasste und mit herrlichen Illustrationen versehene handschriftliche Chronik des Konstanzer Konzils – eine Art Comicstrip des mittelalterlichen Geschehens voller anschaulicher Details über Geschehnisse und Alltagsleben während des Konzils.
Ein Denkmal den „Hübschlerinnen“
700 registrierte Dirnen führt Richentals Chronik in der Liste der Konzilsteilnehmer auf. Ihnen hat der Künstler Peter Lenk in den 90er Jahren mit der Figur der Imperia ein Denkmal gesetzt. Imposant wie ein Leuchtturm begrüßt sie in der Hafeneinfahrt die Gäste der Stadt. Im Zeitlupentempo dreht sie sich auf ihrem hohen Sockel um die eigene, üppige Achse. Auf den Händen trägt sie die karikierten Abbilder eines Kaisers und eines Papstes – eine augenzwinkernde Anspielung auf Macht und Einfluss der „Hübschlerinnen“, wie die Prostituierten damals genannt wurden.
Die ferne Konzilszeit hautnah erleben
Erlebnisorientierte Veranstaltungen erinnern an das Konstanzer Konzil und den spätmittelalterlichen Alltag. Sie schaffen einen Bezug von historischen Ereignissen zu Gegenwart und Zukunft. Ein buntes Angebot an Themen-Führungen und kulturellen Events lockt Besucher in die auch heute quirlige und vielseitige Stadt. Rad-Fans können dem flüchtenden Papst Johannes XXIII. aus der Stadt hinterherfahren.
Kulturell dem Konzil auf der Spur
Noch bis zum 9. September 2014 findet mit der Großen Landesausstellung „600 Jahre Konstanzer Konzil 1414-1418 – Weltereignis des Mittelalters“ eine bedeutende Schau zu Kunst und Kultur während der Konzilszeit im Konzilgebäude statt. Im Juni richtet die Stadt zusammen mit SWR und Universitäten ein Festival mit Musik aus der Konzilszeit aus. Die neue Dauerausstellung im Hus-Museum ehrt den bedeutenden böhmischen Reformator Jan Hus. Trotz Zusicherung freien Geleits wurde er kurz nach seiner Ankunft gefangen genommen, als Ketzer zum Tode verurteilt und 1415 auf dem Richtplatz der Stadt verbrannt. Bei den Konzilfestspielen bringt das Theater Konstanz im Sommer „Hohes und Niedriges, Erhabenes und Banales dieses großen religiösen und politischen Jahrmarkts“ auf die Open air-Bühne vor der Kulisse des Münsters. Wer den Akteuren des Konzils nicht nur zusehen will, der kann auch direkt mit ihnen sprechen und sie zu ihren Erlebnissen befragen. Bei der Führung „Hofnarr, Spion und Richental“ schlüpfen Stadtführer in historische Gewänder und erzählen die Konzilsgeschichte aus der Sicht von Zeitzeugen aus dem Mittelalter. Und wer es lieber ganz modern mag, der geht mit dem Smartphone auf Spurensuche und entdeckt die Konzilszeit mit Hilfe einer App und QR-Codes ganz individuell.
Quelle: PR2 Petra Reinmöller Public Relations