Schaurig-schön und nicht gefährlich
Noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts schaute man in Osttirol aus den Nasenlöchern. Inzwischen aber ist der Krampus ein wenig geschrumpft, denn die Sehschlitze der Masken sind auf Augenhöhe. Daher wirken die schaurigen Gesellen des Nikolaus zwar noch furchteinflößend, aber nicht mehr ganz so übermächtig. „Auch Traditionen gehen mit der Zeit“, erklärt Kurt Glänzer, der Vorsitzende des Lienzer „Nikolo- und Krampusvereins“ mit seinen 400 Mitgliedern. Wenn sie Anfang Dezember mit Kuhglocken behängt und im Zottelfell durch die Gassen laufen, ist das der Höhepunkt im Lienzer Advent.
Ängstliche Zeitgenossen können die tief im Brauchtum verwurzelte Faszination des Schreckens hinter Absperrgittern auf sich wirken lassen. Obwohl Glänzer betont, dass der Lienzer Krampus zur Spezies der zivilisierten Schauergestalten gehört und in der Regel nur auf Freunde und Bekannte zustürmt, um sie in Rangeleien zu verwickeln. Die absoluten Publikums-Lieblinge sind sowieso die laufenden Meter – die dreijährigen Knirpse unter den 150 Nachwuchs-Krampussen, die am 6. Dezember im Gefolge des Nikolaus in die Altstadt marschieren.
Chef-Krampus Kurt Glänzer, der den Vereinsvorsitz von seinem Vater übernommen hat, war selbst erst drei, als er das erste Mal mit durfte. „Das war schöner als Weihnachten - zumindest aufregender“, erinnert er sich. Der 46-Jährige, der im zivilen Leben als Maschinenschlosser arbeitet, hat im Laufe der Jahre schon vielen Krampussen ihr Gesicht gegeben. Pro Jahr schnitzt er fünf bis acht Larven, wie die Masken aus weichem Zirbenholz in der Fachsprache genannt werden. Etliche davon schmücken die Wände im Alten Schlauchturm der Lienzer Stadtmauer, in dem der „Nikolo- und Krampusverein“ Requisite und Refugium hat. Der Kopfschmuck, das Zottelfell, der Gürtel mit den drei Kuhglocken – insgesamt läuft der Groß-Krampus mit gut 30 Kilo am Leib umher. „Das ist Hochleistungssport“, sagt Glänzer und man versteht, dass die meisten Männer im Rentenalter irgendwann auf die Zuschauerseite wechseln.
Dort stehen die Frauen seit jeher. „Keine Frage - wir bewahren unsere letzte Männerdomäne“, sagt Kurt Glänzer. Als sich vor 18 Jahren mal eine Frau dazwischen geschmuggelt hat, wurde sie sofort verjagt. Der Krampus soll in der Figur des spätmittelalterlichen Kinderschrecks wurzeln, der einst zur Frömmigkeitserziehung des Nachwuchses eingesetzt wurde. Erst im 19. Jahrhundert stieß er – sozusagen als ostalpenländische Antwort auf Knecht Ruprecht – zum Nikolaus, der von weiteren Figuren wie Buttenteufel, Lotter und Litterin begleitet wird. Die einzigen Frauen im Gefolge sind die kleinen Engelsmädchen.
Der harte Krampus-Kern trifft sich schon am 1. Dezember auf dem Riedlhof außerhalb von Lienz zum Tischziehen: Dabei haben es die Gäste, die freiwillig zum Kräftemessen antreten, sehr schwer, den Tisch gegen die wilden Gesellen zu verteidigen. Am 3. Dezember dann begleiten sie den Nikolaus zu seiner Ansprache auf dem Johannesplatz im Stadtzentrum, am 5. Dezember wechselt der Schauplatz zum Ortsteil Patriasdorf und damit in eine ländlich-beschauliche Kulisse, bevor die Nachwuchs-Krampusse einen Tag später wiederum in der Altstadt alle Blicke auf sich ziehen.
Und dann herrscht wieder Ruhe im Angesicht der tief verschneiten Lienzer Dolomiten. Kurt Glänzer setzt sich hin, schnitzt in Musestunden das Jahr über ein paar Masken und freut sich auf die nächste Saison. Besonders stolz ist er auf die Nachwuchs-Krampusse, die er 1993 als eigene Gruppe ins Leben rief. „Die Kleinen schauen sich von Anfang an das echte Krampus-Gehabe ab – inzwischen haben alle denselben Schritt drauf, man erkennt wirklich niemanden mehr“, sagt er.
Der Lienzer Adventsmarkt
Der Lienzer Adventsmarkt, der zu den traditionsreichsten in ganz Österreich gehört und unter dem Motto „Einmal wieder Kind sein“ steht, lässt vom 25. November bis 24. Dezember urtirolerisches Brauchtum lebendig werden. Vor dem Rathaus, das sich in einen riesigen Adventskalender verwandelt, treten Sänger und Märchenerzähler auf. Lesungen und Hirtenspiele beeindrucken die Besucher ebenso wie die lebende Werkstätte, in der Glasbläser, Kerzenzieher und Holzschnitzer zum Mitmachen auffordern, während der Nachwuchs in der Kinderbackstube schwitzt. Das Adventspaket über ein verlängertes Wochenende gibt es ab 155 Euro pro Person im Doppelzimmer eines 3-Sterne-Hotels. Es enthält drei Übernachtungen inklusive Halbpension, dazu Extras wie eine geführte Schneeschuhtour und Glühweingutscheine.
Quelle: Osttirol Werbung