Neue Ausstellung Afrika - Im Blick der Fotografen in der Völklinger Hütte vom 15. Mai bis 1. November 2020
Wir kennen Berlin, Paris, London und vielleicht auch New York. Aber was wissen wir über Nairobi, Casablanca oder Kinshasa? Die Ausstellung "Afrika – Im Blick der Fotografen" im Weltkulturerbe Völklinger Hütte präsentiert Arbeiten herausragender afrikanischer Fotografen. Die Fotografien zeigen einen Blick auf Afrika jenseits von Stereotypen. Die Fotoarbeiten prägt eine interne Perspektive und ein künstlerischer Blick afrikanischer Künstler auf ihre Heimatregionen. Sie erzählen vom Alltag in den Städten, von Industrie, den Spuren der Vergangenheit und von Pop-Kultur. Die Ausstellung bietet im Weltkulturerbe Völklinger Hütte den künstlerischen Positionen afrikanischer Künstler ein Forum und ermöglicht den Besuchern so einen facettenreichen und vielleicht auch überraschenden Blick auf die afrikanische Kultur. Manche der Fotografen haben ihre Arbeiten schon auf bedeutenden Ausstellungen gezeigt, andere präsentieren ihre Werke erstmals in Deutschland.
Themen sind unter anderem das ambivalente Erbe des Bergbaus in Südafrika, Umweltverschmutzung, das Leben in der Demokratischen Republik Kongo oder auch die Kultur der Fußballstadien in Algerien. Insgesamt zeigt das Weltkulturerbe Völklinger Hütte 43 großformatige Fotoarbeiten von neun Fotografen.
Da sind zum Beispiel die Fotos von Osborne Macharia, der durch seine Foto-Serie für den Oscar-prämierten Film "Black Panther" bekannt ist. Ilan Godfrey beschäftigt sich mit dem Erbe des Bergbaus in Südafrika, Fabrice Monteiro ist zu verschmutzten Orten in Afrika gefahren und hat dort eine Fotoserie mit mythisch anmutenden Figuren geschaffen. Léonard Pongo entdeckt im Kongo das ‚Unheimliche‘ im Sinne Sigmund Freuds, Fethi Sahraoui zeigt die Momente der Freiheit von Kindern in algerischen Fußballstadien. Alice Mann porträtiert die weibliche Subkultur des Formationstanzes in weniger privilegierten Gesellschaften Südafrikas. Kibuuka Mukisa Oscar feiert die positive Lebensenergie der Breakdance-Kultur in Uganda, Omar Victor Diop porträtiert Menschen aus der urbanen afrikanischen Kultur-Szene. Und der marokkanische Künstler Yoriyas zeigt seine Heimatstadt Casablanca jenseits des berühmten Hollywood-Films und jenseits von Touristen-Führern und orientalistischen Fantasien.
Die Schirmherrschaft der Ausstellung "Afrika – Im Blick der Fotografen" hat Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller übernommen. Zur Ausstellung ist ein Katalogbuch erschienen. Kooperationspartner der Ausstellung ist der PopRat Saarland.
43 Fotografien von neun Fotografen – ein künstlerischer Blick auf Afrika
Aus der Serie "ILGELUNOT", die Osborne Macharia für den mittlerweile legendären Film "Black Panther" geschaffen hat, sind im Weltkulturerbe Völklinger Hütte die beiden Werke "Koinet" und "Kokan" zu sehen. "Black Panther" (2018) ist der erste Superheldenfilm mit fast ausschließlich schwarzen Darstellern und mit einem schwarzen Regisseur. Der Hollywood-Blockbuster der Marvel-Studios über das fiktive afrikanische Königreich Wakanda, das dank des Metalls Vibranium allen anderen Ländern der Welt technisch überlegen ist, wurde oft als ein Statement afrikanischen Selbstbewusstseins wahrgenommen.
Neben den Fotografien zu "Black Panther" zeigt Osborne Macharia im Weltkulturerbe Völklinger Hütte auch die Fotoserie "KDF". Sie erzählt von vier Waisenkindern. Am Tag sind sie Schulkinder, nachts werden sie zur "Kawangware Defence Force" in dem Stadtteil Kawangware in Nairobi. In den wenig beleuchteten Straßen überwachen sie ihr Viertel und informieren bei Gefahr die Polizei. Dabei tragen sie die Kleidung des Science-Clubs ihrer Schule und Motorrad-Helme. Mit ihren Elektro-Geräten können sie Hilferufe an die Polizei versenden. Ihre wahre Identität ist unbekannt. Und wie in der Serie zu "Black Panther" schließt Osborne Macharia auch die Beschreibung zur Serie "KDF" mit der Formel "Little is known about them till now …".
Ilan Godfrey beschäftigt sich in seiner Serie "Legacy of the Mine" mit dem Erbe des Bergbaus in Südafrika. Rohstoffe wie Gold, Platin oder Kohle haben das Land reich gemacht. Für manche Menschen hatte der Bergbau aber auch zerstörerische Folgen. Die Geschichte der Menschen erzählt Ilan Godfrey in seinen Bildern. Ilan Godfrey ist in Südafrika mit dem Ernest Cole Award ausgezeichnet worden und hat seine Werke in Galerien in Südafrika, London oder Paris gezeigt. Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte sind seine Werke erstmals für längere Zeit in Deutschland zu sehen.
Gerade die Fotoarbeiten Ilan Godfreys erhalten im Weltkulturerbe Völklinger Hütte eine zusätzliche Dimension. Denn die Wände in der Möllerhalle der Völklinger Hütte sind nicht weiß, sondern sie haben selbst eine Geschichte. Hier wurden die Materialien, der Möller, für den Hochofenprozess der Völklinger Hütte gelagert. Und Generationen von Hüttenarbeitern haben hier gearbeitet, ihre Geschichten sind Teil des Ausstellungsortes. Ilan Godfreys Fotoarbeiten erzeugen im Dialog mit den Wänden der Möllerhalle zugleich ein Gefühl der Fremde und der Nähe. Denn obwohl die Menschen auf den Fotografien in einem anderen, entfernten Teil der Erde leben, sind sie der Völklinger Hütte und ihren Geschichten auch sehr nahe.
In diesem Sinne ist die Ausstellung "Afrika – Im Blick der Fotografen" auch dialogisch angelegt. Der Ausstellungsort mit seiner Geschichte, die in dem Ort präsent ist, öffnet sich für die Geschichten anderer Welten. So entwickelt sich ein Dialog zwischen den Kulturen, für den das UNESCO-Weltkulturerbe Völklinger Hütte schon lange steht und eine Atmosphäre, die sehr spezifisch, vielleicht sogar einzigartig ist.
Der Fotograf Fabrice Monteiro ist zu verschmutzten Orten in Afrika gefahren. In Zusammenarbeit mit dem Designer Doulsy aus Dakar hat er dort eine Fotoserie mit mythisch und surreal anmutenden Figuren geschaffen. Seine Models tragen Kleider, die aus den Dingen geschaffen wurden, die die Künstler an diesen Orten gefunden haben. Seine Fotoserie "The Prophecy", sagt er, sei eine Geschichte der Hoffnung und Ermutigung, dass die Menschen die Kraft haben, das umzukehren, was sie dem Planeten angetan haben.
In den Fotoarbeiten von Fethi Sahraoui geht es nur auf den ersten Blick um Fußball. Fethis Sahraouis Serie "Stadiumphilia" zeigt besonders die Kinder in den algerischen Fußballstadions. Denn obwohl Jungs unter 18 Jahren eigentlich nicht ohne Aufsicht eines Erwachsenen in das Stadion dürfen, passieren laut Fethi Sahraoui de facto auch 14-Jährige ohne Kontrolle die Stadiontore. Für diese Jugendlichen sei das Fußballstadion daher ein Schlupfloch, das ihnen erlaube, dem Druck der Gesellschaft zu entfliehen. Fethi Sahraoui ist ein junger Fotograf, der sich als Autodidakt das Fotografieren selbst beigebracht hat. Seine Arbeiten wurden bereits im Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst in Algier und im Institut du monde arabe in Paris gezeigt. Er ist ein Mitglied des Fotografen-Kollektivs "Collective 220". Die Fotografen dieses Kollektivs haben sich zum Ziel gesetzt, in ihren Fotografien die verschiedenen Geschichten und die unterschiedlichen Perspektiven des heutigen Algerien zu zeigen und zu erzählen.
Léonard Pongo ist in seinem langfristig angelegten Fotoprojekt "The Uncanny" in den urbanen Zentren der Demokratischen Republik Kongo unterwegs gewesen. In Kinshasa, Katanga und Kasai entdeckt er das ‚Unheimliche‘ im Sinne von Sigmund Freud - den Moment, wenn das scheinbar Vertraute fremd und unheimlich wird. Sein Langzeitprojekt "The Uncanny" ist eine sehr persönliche und emotionale Innensicht auf das Leben in der Demokratischen Republik Kongo. "The Uncanny" hat Léonard Pongo mehrere internationale Preise und weltweite Anerkennung eingebracht.
Die südafrikanische Fotografin Alice Mann hat in ihrer mehrfach ausgezeichneten Foto-Serie "Drummies" die Kultur der "Drum Majorettes" in Südafrika porträtiert. Der Formationstanz in Uniform hat eine lange Tradition in Südafrika, ist allerdings nicht mehr so populär wie noch in den 80er-Jahren. In vielen der weniger privilegierten Gesellschaften in Südafrika wird der Sport jedoch noch sehr ernst genommen. Für die Mädchen und jungen Frauen dort ist es ein Privileg und ein Erfolg, ein "Drummie" zu sein. Zeigt es doch, dass sie in der Lage sind, die legendär harten Übungsstunden zu meistern. Ein "Drummie" zu sein beweist, dass man in der Lage ist, hart zu arbeiten. Die Fotoserie zeigt diese weibliche Subkultur in Südafrika und vermittelt den Stolz und das Selbstvertrauen, dass den Mädchen und Frauen aus dieser Kultur erwächst.
Kibuuka Mukisa Oscar feiert die positive Lebensenergie der Breakdance-Kultur in Uganda. Für ihn spielt Breakdance eine wesentliche Rolle, um Selbstbewusstsein und Gender-Gerechtigkeit zu stärken und um eine freie Form des künstlerischen Ausdrucks zu unterstützen. In seinem langfristigen Projekt Uganda "youth and hiphop culture" dokumentiert er die Entwicklung des Breakdance in Uganda. In seiner Kunst übersetzt er die positive Lebensenergie des Tanzes in fotografische Bilder – getreu seinem künstlerischen Motto "Give a smile to the world".
Omar Victor Diop porträtiert in seiner Serie "Studio of Vanities" Menschen aus der urbanen afrikanischen Kultur-Szene. Ausgebildet an einer Pariser Business-Hochschule startete Omar Victor Diop zunächst eine Karriere in diesem Bereich. Nach dem erfolgreichen Foto-Projekt "Fashion 2112, le Futur du Beau" widmete er sich der Fotografie. Omar Victor Diops Werk umfasst Kunst, Mode- und Porträtfotografie. Er zählt zu den bekannten afrikanischen Fotografen. Die Fotografien seiner Serie "Studio of Vanities" gehen bewusst über eine rein ästhetische Darstellung einer hübschen, attraktiven Jugend hinaus. Gesten, Hintergrund und Requisiten des Fotos werden in einem gemeinsamen Prozess mit dem Model ausgewählt. Was so entsteht, geht über die Ästhetik des Schönen hinaus, es ist ein Porträt der zeitgenössischen Kulturszene in Dakar.
Der marokkanische Künstler Yoriyas vereint in sich viele Leidenschaften: Er liebt Schach, Mathematik und Breakdance, arbeitete als professioneller Tänzer. Als Fotograf hat er bereits mehrere internationale Preise wie den internationalen Preis für zeitgenössische afrikanische Fotografie "CAP Prize" gewonnen und seine Kunst in renommierten Institutionen wie dem Institut du monde arabe in Paris gezeigt. In seinem Langzeit-Projekt "Casablanca Not the Movie" zeigt er seine Heimatstadt Casablanca jenseits des berühmten Hollywood-Films und jenseits von Touristen-Führern und orientalistischen Fantasien. Seine Fotografien zeigen eine vielschichtige und zum Teil widersprüchliche Stadt mit verschiedenen Kulturen und Ethnien, eine Stadt zwischen Tradition, Religion, Post-Kolonialismus und großstädtischer Entwicklung.
Die Ausstellung "Afrika – Im Blick der Fotografen" im Weltkulturerbe Völklinger Hütte bietet einen Einblick in die afrikanische Kultur aus der Perspektive afrikanischer Künstler. Der Titel des marokkanischen Künstlers Yoriyas für seine Fotoserie könnte daher auch als Motto für die Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte gelten: "Casablanca Not the Movie".
Quelle: Weltkulturerbe Völklinger Hütte - Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur